Intendant feiert alleine - Belegschaft protestiert vor dem Brandenburger Tor

11.05.2023
Kundgebung Brandenburger Tor

Kämpferische Stimmung unter den Beschäftigten: Über 250 von ihnen folgten einem Aufruf der Gewerkschaft ver.di, am 10 Mai 2023 vor dem Brandenburger Tor gegen Einschränkungen und Beendigungen von bis zu 300 Beschäftigten bei der Deutschen Welle zu protestieren. Die meisten Betroffenen sind arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeitende. Sie fallen nicht unter den Kündigungsschutz. Das macht den Personalabbau für den Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen leichter.

 
Fahrradkorso

Der Termin war nicht zufällig gewählt: Am selben Tag fand im Bundestag eine Feierstunde zum 70. Jahrestag des Bestehens der Deutschen Welle statt. Bundeskanzler Scholz, die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, und die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Katrin Budde begrüßten den Intendanten der Deutschen Welle, Peter Limbourg. Er musste ohne die ebenfalls geladenen Personalratsvorsitzenden anreisen. Die legten den Vertreter*innen der Politik die Gründe ihrer Absage dar und radelten zusammen mit den Kolleg*innen von der Deutschen Welle in der Voltastraße zum Brandenburger Tor - in einem eigens dafür organisierten Fahrradkorso.

 
Daniel Scheschkewitz, Klaus Barm

Auf der dortigen Kundgebung warnte der Vorsitzende des Örtlichen Personalrats in Bonn, Daniel Scheschkewitz, die Deutsche Welle davor, die Kolleg*innen in den Sprachredaktionen gegen die gekürzten Ressorts wie Sport, Kultur, Wirtschaft oder gegen das Deutschen Programm auszuspielen. Während die Geschäftsleitung behaupte, die Sprachen zu stärken, sei bisher das Gegenteil der Fall. Die Etats der meisten der 32 Sprachen seien so knapp bemessen, dass für eigens recherchierte Berichterstattung keine Luft bleibe. Der Vorsitzende des Örtlichen Personalrats Berlin, Klaus Barm, ergänzte, dass dies zu Arbeitsverdichtung und Konflikten unter den verbleibenden Beschäftigten führe. Freie und befristet beschäftigte Mitarbeitende gerieten aufgrund ihrer prekären Arbeitssituation unter Druck. Dies sei nicht förderlich für mutigen Journalismus. "Wer jederzeit seinen Job verlieren kann, der ist nicht frei, sondern unfrei". Am Standort Berlin habe gerade mal ein Drittel der Beschäftigten unbefristete Arbeitsverträge. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen den Werten, die der Sender nach außen vertrete und dem Umgang mit den Mitarbeitenden. Es sei daher Aufgabe der Politik, nicht nur für ausreichende Ausstattung mit Geld, sondern auch für ausreichend Planstellen zu sorgen.

 
Berichte Kolleg*innen
Solidarität Sprachen

Kolleg*innen aus den stark von Kürzungen betroffenen Ressorts Sport und Kultur sowie dem Deutschen Programm warnten davor, die Expertise in diesen Bereichen durch Abbau aufs Spiel zu setzen. Auf der Strecke bliebe kein "Nice to have", sondern wesentliche journalistische Kompetenzen. Diese seien die Voraussetzung dafür, Inhalte und auch Werte zu transportieren. Beschäftigte aus den derzeit (noch) nicht betroffenen Sprachen Spanisch und Arabisch schlossen sich dem an und bekräftigten ihre Solidarität. Kürzungen im Journalismus seien schlecht in diesen politisch prekären Zeiten. Die Unsicherheit sei in allen Abteilungen der Deutschen Welle zu spüren.

 
Christoph Schmitz

Christoph Schmitz, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands, äußerte die Befürchtung, dass der Qualitätsjournalismus der Deutschen Welle massiv Schaden nehmen würde, wenn die Kürzungsmaßnahmen nicht gestoppt werden. Denn gerade in den betroffenen Bereichen der Kultur-, Sport-, Wirtschafts- und nachrichtlichen Berichterstattung aus Deutschland stecken unverzichtbare Kernkompetenzen. „Die Deutsche Welle schneidet sich ins eigene Fleisch, indem sie ihre zentralen Bereiche aushöhlt. Dieses Vorgehen steht im klaren Widerspruch zu dem gesetzlichen Auftrag. Und genau an dieser Stelle ist die Politik gefragt: Wir fordern ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das heißt auch: ein klares Bekenntnis zu den Beschäftigten“, so Christoph Schmitz.