Hat die DW weggeschaut bei Antisemitismus?
Am 1.12.2021 erschien ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung über antisemitische Kommentare in den Sozialen Medien. Die stammten von einzelnen Mitarbeiter*innen der arabischen Redaktion der Deutschen Welle. Das Medienecho war groß in den folgenden Tagen, vor allem nachdem das US-amerikanische Magazin "Vice" zwei Tage später nachlegte: Die DW kooperiere eng mit dem jordanischen Sender Roya TV und ignoriere dabei dessen antisemitische und gegen Israel gerichtete Agenda.
Die DW verteidigte zunächst die Zusammenarbeit und sprach davon, dass sie Roya TV "definitiv nicht für israelfeindlich" halte. Zwei Tage später ruderte sie zurück, beendete die Kooperation und bedauerte die ursprüngliche Einschätzung. Zudem gab sie aufgrund des Artikels in der Süddeutschen Zeitung bekannt, eine externe Kommission zu beauftragen. Die frühere Bundesjustizministerin und derzeitige Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheuser-Schnarrenberger und der Psychologe Ahmad Mansour sollen eine Kommission leiten, die die Antisemitismus-Vorwürfe untersuchen soll.
Mittlerweilen werden neue Vorwürfe erhoben. Die Deutsche Welle kooperiere im Libanon mit dem Sender Al Jadeed, der beispielsweise Kämpfer der Hisbollah glorifiziere, so das Magazin Vice am 7.12.2021. Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, antwortete bisher nicht auf Nachfragen. Stattdessen verteidigte ein DW-Sprecher die Strategie der Deutschen Welle: Auch wenn weltweit nicht „alle Medienanbieter die deutsch-europäischen Werte“ und damit die der DW teilten, sei es wichtig, dass die DW mit ihren Inhalten dazu beitrage, „demokratische Werte und Sichtweisen bekannt zu machen“.
Der Senderverband ver.di DW hat am 7.12.2021, vor dem Bekanntwerden der neuesten Vorwürfe, folgende Erklärung abgegeben:
Erklärung des Senderverbandes ver.di DW
Der Artikel „Ein Sender schaut weg“ in der Süddeutschen Zeitung vom 01.12.2021 hat ein gewaltiges Medienecho ausgelöst und macht vielen Mitarbeiter*innen der DW Sorgen. Der Senderverband von ver.di DW verurteilt Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Machtmissbrauch. Die Gewerkschaft ver.di steht für gesellschaftliche Vielfalt und demokratische Grundwerte.
Leider stellen wir fest, dass die Geschäftsleitung erst dann handelt, wenn sich Missstände nicht länger herunterspielen lassen. Dabei kommt den Führungskräften der DW eine besondere Verantwortung zu.
Der in den Medien geäußerte Vorwurf, die DW habe bei antisemitischen Äußerungen von Mitarbeitenden und einem Partnersender weggesehen, wiegt schwer. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Benennung von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Ahmad Mansour, die die Vorwürfe untersuchen werden. Wir gehen davon aus, dass dies ohne Einflussnahme erfolgt. Neben personeller Einzelbetrachtungen müssen die Verantwortlichkeiten auf allen Führungsebenen durchleuchtet werden.
Das bedeutet auch, dass die Kolleginnen und Kollegen, die Missstände benennen, gehört werden müssen. Ihre Kritik darf nicht mehr als Mangel an Loyalität verstanden werden. Die Deutsche Welle muss nach innen wie außen ihre Werte leben. Dazu müssen Strukturen auf den Prüfstand!
7.12.2021 ver.di Senderverband Deutsche Welle
In den Vorjahren war es zu heftigen Konflikten innerhalb der arabischen Redaktion gekommen. Einige Kolleg*innen wurden beendet, nachdem sie den Führungsstil und journalistischen Kurs ihrer Redaktionsleitung kritisiert hatten. Diese warf den geschassten Kolleg*innen mangelnde Loyalität vor.
Der Senderverband ver.di DW bescheinigte der DW Ende 2020 eine Führungskultur, die jedes Maß verloren habe und bezog diese Kritik in einer internen Verlautbarung insbesondere auch auf den Intendanten. Das Medienmagazin MMM berichtete über den Konflikt: https://mmm.verdi.de/beruf/nicht-auf-augenhoehe-72221 .
P.S.: Mittlerweile konnten auf Initiative von Gewerkschaften und Personalräten auf DW-Ebene Verbesserungen erreicht werden, wie geregelte Konfliktlösungsverfahren. Für die gemaßregelten Kolleg*innen kam das allerdings zu spät. Sie klagen gegen die DW und werden dabei von ver.di unterstützt.