Tarifrunde 2020 bei der DW

03.04.2023

Vorgeschichte: Tarifrunde im öffentlichen Dienst und bei der ARD

Mit Ergebnissen von umgerechnet jährlich 3% und mehr haben die Kolleg*innen im öffentlichen Dienst eine gute Vorlage geliefert. Interessant vor allem der Abschluss bei den Ländern. Dort beinhaltete das Ergebnis zusätzlich zu der prozentualen Erhöhung der Gehälter ein Plus von etwa 1% für strukturelle Verbesserungen. Dies vor Augen setzen wir uns als ver.di DW die Aufgabe, das gute Tarifergebnis vom öffentlichen Dienst auch für die Kolleg*innen zu erreichen. 
Damit stehen wir nicht allein: Im Jahr 2019 finden bei allen ARD-Anstalten und beim ZDF Tarifverhandlungen statt. An fast allen Sendern kommt es zu Streiks, nachdem die Angebote der Sender teils weit unter den Ergebnissen im öffentlichen Dienst lagen. Erschwerend kommt für die Kolleg*innen eine von der völkischen Rechten losgetretene Debatte über Rundfunkgebühren hinzu. Sie ist verbunden mit der generellen Infragestellung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages. Anstatt eine klare Position zu beziehen und für eine angemessene Finanzierung einzutreten, ducken sich viele Intendant*innen weg und versuchen den Druck in den Tarifverhandlungen an die Beschäftigten weiterzugeben. Die Debatte wird missbraucht und als Vorwand eingesetzt für geringere Tariferhöhungen und, wie beim wdr, für strukturelle Verschlechterungen.

Dieser Versuch kann abgewehrt werden. Am Ende landen die ARD-Sender im Schnitt bei durchschnittlich jährlich knapp 2,6 % Erhöhung inclusive struktureller Verbesserungen.

 

 

Die Kolleg*innen der DW solidarisieren sich mit denen der ARD.

 
Solidarität mit Streik ARD

 

  

 

 

 

April 2019: Aktion Frühjahrsputz. Die Vorbereitungen beginnen.


ver.di DW mobilisiert: Hauptamtliche und Ehrenamtliche besuchen die Kolleg*innen an den Arbeitsplätzen und fragen nach, wo es brennt. Insbesondere geht es darum, herauszufinden, welche Forderungen nach strukturellen Verbesserungen in den Tarifforderungen berücksichtigt werden sollten.

 

 

 

 
Briefkasten

 

 

August 2020: Umfrage unter allen Mitarbeiter*innen

 

Die Aktion Frühjahrsputz hat viele Anregungen ergeben. Wir wählen diejenigen aus, die als Forderungen für Tarifverhandlungen formuliert werden können und wollen wissen: Welche sind euch wichtig? Und vor allem: Für welche Forderungen seid ihr bereit, euch durch Aktionen und Streik einzusetzen? Seid ihr Mitglied von ver.di oder verlasst ihr euch lediglich auf diejenigen, die in den Gewerkschaften für euch die Kohlen aus dem Feuer holen?

Denn wir wissen, dass am Ende des Tages Interessen zählen und die Frage: Was kostet es? Das gilt für beide Seiten. Und bei den Kosten sind auch Kratzer am Image inbegriffen. Hier stehen wir umso besser da, je mehr wir als Mitarbeiter*innen zusammenhalten. Ein Tanz auf des Messers Schneide, der uns durch die Tarifrunde begleiten wird.

 

 

Oktober 2020: Auswertung der Umfrage

Ganz oben auf der Wunschliste stehen höhere Honorare und Gehälter, vor allem die Erhöhung von Effektivhonoraren bei Freien (wenn lediglich Mindesthonorare erhöht werden, gehen viele Freie regelmäßig leer aus). Festangestellte wollen zuätzlich eine stärkere Berücksichtigung unterer und mittlerer Gehälter.

Beim Wunsch nach strukturellen Verbesserungen steht das Krankengeld für Freie ganz oben. Darüber hinaus der Wunsch nach Bestandsschutz und Beschäftigungsgarantie für Freie, nach Beseitigung ungleicher Bezahlung für die gleiche Arbeit durch Anhebung der zu niedrigen Honorare und Gehälter, Verbesserungen bei Krankengeldzuschuss, Schulungshonoraren, Zuschlägen und dem Urlaubsentgelt für Festangestellte.

Bei den Azubis stehen die Forderung nach Erhöhung über einen Festbetrag und die Übernahme des Jobtickets durch die DW im Vordergrund.

Und: Viele Kolleg*innen sagen nicht nur "Bitte", sondern erklären ihre Bereitschaft, sich für diese Ziele an Aktionen zu beteiligen und in letzter Konsequenz auch zu streiken. Dazu kommt es aber erstmal noch nicht...

 

 

18.10.2020

ver.di DW fordert die Geschäftsleitung der DW zu Tarifverhandlungen auf. Es geht um eine Erhöhung von Gehältern und Effektivhonoraren im Gesamtvolumen von 6 %  über ein Jahr, zusätzliche strukturelle Verbesserungen im Wertvolumen von 1%, um Erhöhungen von 100 € für Auszubildende und Volontär*innen sowie um weitere Verbesserungen für Auszubildende, wie Jobticket, Anschlussbeschäftigung, Regelungen zu Urlaub, Zuschlägen und Familienheimfahrten.

In einem Tarifinfo werden die strukturellen Verbesserungen ausgeführt, die wir im Laufe der Tarifverhandlungen fordern werden:

  • Krankengeldzuschuss für freie Mitarbeiter*innen ab dem ersten Krankheitstag.
  • Verbesserungen bei Bestandsschutz und Beschäftigungsgarantie für Freie.
  • Erhöhung des Krankengeldzuschusses für Freie.
  • Erhöhung / Bezahlung von Schulungshonoraren für Freie.
  • Verbesserungen bei Zuschlägen.
  • Erhöhung des Urlaubsgeldes für Feste.
  • Tariferhöhung nicht prozentual, sondern über einen solidarischen Festbetrag, d.h. das Gehaltsgitter der Festangestellten wird für alle um denselben Mindestbetrag in Höhe von 300€ angehoben.

Darüber hinaus fordern wie gleiches Geld für gleiche Arbeit. Dies ist allerdings eine Forderung, die nicht in Tariferhöhungen eingepreist werden darf, sondern eine Selbstverständlichkeit sein muss. Insbesondere unterstützen wir die Kolleg*innen von der Maske in Berlin, deren Honorar an die Honorarhöhe der Bonner Kolleg*innen angeglichen werden muss.

 

 
Weihnachten 2019

 

 

 

Die DW lässt sich erst einmal Zeit und es vergeht Weihnachten...

 

 

 

 

 

 
Verhandlungstag 1

20.1.2020 Erster Verhandlungstag

Der erste Verhandlungstag beginnt in Bonn mit einer Aktion der Kolleg*innen vor Ort, die unsere Verhandlungskommission unterstützen. Bei der Verhandlung tragen wir unsere Forderungen im Einzelnen vor. Die DW hält sich aber bedeckt. Wertvolle Zeit wird vergeudet. Der zweite Verhandlungstermin wird angesetzt auf den 29.1. in Berlin.

 

 
Aktion 2.Verhandlungstag

29.1.2020 Zweiter Verhandlungstag

Auch der 2 Verhandlungstag wird tatkräftig unterstützt von Kolleg*innen. Hier sind es vor allem die freien Kolleg*innen von der Maske in Berlin, die der Verwaltungsdirektorin ihre Forderung nach Angleichung ihrer Honorare an die Honorare in Bonn vortragen: Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Nach einer gemeinsamen Verhandlungsrunde unter Teilnahme aller Delegationsmitglieder zieht sich die DW mit einer kleinen Runde zurück, mit jeweils einem Vertreter der verhandelnden Gewerkschaften DJV, vrff und ver.di. Die Zeit vergeht...

Die Besprechung zieht sich stundenlang hin, ohne dass die Verhandlungsteams der Gewerkschaften beteiligt werden. Erst am Abend, kurz vor der Abreise der Verhandler*innen, verkündet die Verwaltungsdirektorin das Ergebnis in einem sogenannten Eckpunktepapier.

Es enthält gute Ergebnisse, so das Krankengeld für Freie ab dem ersten Krankheitstag, die Erhöhung von Effektivhonoraren, Jobticket für Azubis und mehr.

Allerdings bewegen sich die prozentualen Erhöhungen von 1,8 % im ersten Jahr, 2,1 % im zweiten Jahr und 2,3 % im letzten Jahr im unteren Bereich, verglichen mit anderen ARD-Anstalten. Auch fehlt eine Kernforderung der Gewerkschaft ver.di: Ein solidarischer Festbetrag. Hatte der vrff anfangs noch einen so genannten "Sockel" gefordert, war er von dieser Forderung bald abgerückt. Damit ist ver.di die einzige Gewerkschaft geblieben, die sich für die stärkere Berücksichtigung unterer und mittlerer Einkommen bei der Gehaltserhöhung einsetzt.

Angesichts der knappen Zeit bleibt an diesem Tag nur noch, darauf hinzuweisen, dass ver.di dieses Ergebnis mit den Mitgliedern diskutieren muss. Die nächste Verhandlung wird auf den 18.2.2020 terminiert.

  

 

 

ver.di und die Gewerkschaften VRFF und DJV geben getrennte Erklärungen heraus. Im Flugblatt des VRFF und des DJV wird fälschlicherweise behauptet, ver.di hätte den Kompromiss aufgekündigt. Allerdings ist davon weder im Tarifinfo 4 von ver.di DW die Rede, noch wird ein solches Ansinnen von der ver.di-Verhandlungsführung an die DW herangetragen. 

An einer Umfrage Anfang Februar beteiligen sich fast 200 Kolleg*innen. 78 % finden, dass der Abschluss diesmal höher ausfallen muss. Etwa 64 % der Festangestellten stehen hinter einem solidarischen Festbetrag, etwa 75 % der Freien erklären sich mit den Festangestellten bei diesem Thema solidarisch. Dieses Ergebnis teilt ver.di DW sowohl der DW als auch den anderen Gewerkschaften mit.

 

 

18.2.2020 Dritter Verhandlungstag

Bereits vor dem Verhandlungstermin hat die DW ihr kategorisches Nein zu einer Erhöhung des Gesamtvolumens über die 6,2 % der Eckpunkte hinaus geäußert. Von den Gewerkschaften VRFF und DJV ist keine Bereitschaft zu erkennen, sich für dieses Ziel einzusetzen. Auch an einem solidarischen Festbetrag besteht bei ihnen kein Interesse.

Nach intensiver Diskussion einigen sich die Gewerkschaften im Vorgespräch immerhin auf einen Kompromiss in Sachen Solidarischer Festbetrag: Da sich die in den Eckpunkten vereinbarte Tariferhöhung auf 3 Jahre erstreckt, soll wenigstens in einem Jahr die tarifliche Erhöhung durch einen Festbetrag erfolgen. Die Rückfallposition liegt in einer Erhöhung des Urlaubsgeldes für die unteren Vergütungsgruppen X bis V.

Diese Forderung wird gegenüber der DW vorgetragen. Die Verhandlungskommission der DW zieht sich daraufhin für lange Zeit zurück. Nichts passiert. Nach geraumer Zeit verkündet die DW das Nein zu einem solidarischen Festbetrag. Warum die DW für diese Antwort stundenlang überlegen musste, bleibt ein Rätsel.

Aufgrund dieser Verzögerung endet der Tag ergebnislos. Die Forderung nach einer anderen sozialen Komponente z.B. in Form einer Urlaubsgelderhöhung muss auf den nächsten Verhandlungstermin verschoben werden, den das Verhandlungsteam von ver.di gerne noch im Februar ansetzen würde. Jedoch machen Urlaubspläne und Karneval es der Geschäftsleitung nach eigener Aussage unmöglich, den nächsten Verhandlungstermin vor dem 19. März zu vereinbaren.

 

 
Eisblumen

 

Aus dem Verhandlungstermin 19. März wird nichts mehr: Seit Mitte März hat das Corona-Virus Deutschland und damit auch die DW im Griff, sowohl medizinisch als auch mental. 

 

 

 

25.6.2020 Vierter Verhandlungstag

Unter Corona-Bedingungen findet die Verhandlung als Videoschalte statt. Bei diesem Termin werden die strukturellen Verbesserungen festgelegt. ver.di kann verhindern, dass Feiertagszuschläge abgesenkt werden. Die DW wollte dafür Nachtzuschläge zwischen 0 und 4 Uhr anheben. Diesen Handel haben sehr viele Kolleg*innen abgelehnt.

Bei der tariflichen Erhöhung rückt die DW massiv von den Eckpunkten ab: statt 6,2 % bietet sie nur noch drei mal 1 % sicher an, den Rest will sie nach Kassenlage verteilen. Auch der Festbetrag für Auszubildende und Volontär*innen soll statt 50 nur noch 35 € betragen.

 

 

 

 17.8.2020 Fünfter Verhandlungstag

Nach kurzer Verhandlung geht nichts mehr. Die DW beharrt darauf, Gehälter und Effektivhonorare nur um 1 % pro Jahr verbindlich zu erhöhen. Die Gewerkschaften stellen fest, dass die Verhandlungen gescheitert sind und werfen der DW Wortbruch vor.

In der Folge greift die DW eine Falschaussage aus einem Flugblatt der Gewerkschaften DJV und VRFF vom Januar auf und nutzt ihre Pressekontakte, um ver.di den schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Intendant und Unternehmenssprecher behaupten fälschlicherweise, dass ver.di bereits im Winter aus dem Eckpunktepapier bzw. gar aus den Verhandlungen ausgestiegen wäre.

  

 
Mittagspause Berlin
Mittagspause Bonn
aktive Mittagspause

 

Woche für Woche finden Aktionen statt, z.B. aktive Mittagspausen, um zum Streik am Tag X zu mobilisieren. Die Beteiligung ist gut, trotz der Bedenken in Zusammenhang mit der Corona-Krise.

  

 
GoodJobs_fairPay

 

 10.9.2020 Erster Warnstreik am Standort Berlin

300 Beschäftigte beteiligen sich an einem ersten Warnstreik aller drei Gewerkschaften vor Ort, weitere 200 im Homeoffice. Ab 12 Uhr fallen Nachrichtensendungen aus.

 

 
Covid-19

 

11.9.2020  Warnstreik Homeoffice am Standort Bonn

 200 Kolleg*innen beteiligen sich am gemeinsamen Streik der Gewerkschaften.

 

 

22.9.2020 Warnstreik an beiden Standorten der DW

Zunächst hatten alle drei Gewerkschaften vereinbart, an diesem Tag gemeinsam zu streiken. Am Vortag, dem 21.9., überschlagen sich die Ereignisse: Die Deutsche Welle bekommt die Zusage des Geldgebers für eine angemessene finanzielle Ausstattung des Senders bis Ende 2021. Die von der Verwaltungsdirektion bisher vorgetragene Angst vor Einsparungen kann nun nicht mehr als Argument gegen Tariferhöhungen herhalten.

Die Deutsche Welle signalisiert den Gewerkschaften, die Tarifverhandlungen fortführen zu wollen. Daraufhin kommt es zu unterschiedlichen Einschätzungen der Gewerkschaften über die Frage, ob der vereinbarte Streik stattfinden soll oder ob er abgesagt wird. Für ver.di wäre eine Absage ein problematisches Signal. Denn außer einer vagen Ankündigung, dass die DW verhandeln will, liegt nichts vor. Weder ein schriftliches Angebot noch eine verbindliche Zusage. 

ver.di DW entscheidet sich, wie vereinbart zu streiken, allein schon deshalb, um den nötigen Druck für ein gutes Ergebnis aufrecht zu erhalten. 2 Stunden vor Streikbeginn distanziert sich der DJV in Berlin von dem Streik. In Bonn hat der DJV bereits zum Streik aufgerufen und hofft auf die Kolleg*innen von ver.di, diesen Streik auch durchzuführen. Auch, um die eigenen streikbereiten Mitglieder nicht in eine unangenehme Lage zu bringen. Denn ohne den Streikaufruf einer Gewerkschaft wären sie in der prekären Lage, an einem wilden Streik beteilligt zu sein.

Trotz der ungünstigen Ausgangsvoraussetzungen beteiligen sich an beiden Standorten etwa 160 Kolleg*innen am Streik von ver.di DW und bekräftigen die Entschlossenheit, auch weiterhin für ein gutes Tarifergebnis einzustehen.

Am Ende des Tages zeigt sich, wie wichtig ein gewerkschaftliches Selbstverständnis ist, das nicht nur Ziele benennt, sondern auch in der Lage und willens ist, Verantwortung zu übernehmen. Dafür, dass sich Kolleg*innen organisieren, anstatt  sich auf eine Handvoll Funktionäre verlassen.

 
Warnstreik 2 Berlin 2
Warnstreik 2 Bonn
Warnstreik 2 Berlin

 

 

 

 

 

7.10.2020 Sechster Verhandlungstag

Nachdem die Deutsche Welle zunächst erneut mit einem Angebot in die Verhandlung einsteigt, das eine Erhöhung 1 + x vorsieht, also keine Garantie für eine Erhöhung bietet, bewegen sich am Ende beide Seiten aufeinander zu. Es kann erreicht werden, dass Gehälter und Honorare um zwei mal 2,1 % verbindlich erhöht werden. Im Jahr 2022 erfolgt eine letzte Erhöhung um 2 %, bevor der Tarifvertrag nach dem 30. September 2022 ausläuft. Für diese letzte Erhöhung besteht ein Sonderkündigungsrecht, ein Kompromiss, auf den sich die Gewerkschaften am Ende einlassen.

 

 

 

November 2020

Die Gremien der 3 Gewerkschaften und der Verwaltungsrat der Deutschen Welle stimmen dem Tarifergebnis zu. Damit tritt der verhandelte Tarifvertrag in Kraft, die DW hat als letzte der ARD-Anstalten einen gültigen Entgelttarifvertrag und die Tarifrunde 2020 ist beendet.

Aber wie immer gilt: nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde.