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Zu viel der Ehre

Zu viel der Ehre

1.       Strategie der Macht

Unter der Überschrift „ver.di hat Konflikte angeheizt und skandalisiert“ thematisierte der Online-Dienst „Meedia“ am 20.2.2021 Konflikte und mediales Echo im Zusammenhang mit der Deutschen Welle. Stichwortgeber der Schlagzeile und Interviewpartner ist der Intendant der DW, Peter Limbourg. Belege für seine Aussage liefert er nicht, suggeriert stattdessen das Zusammenwirken zwischen ver.di und dem Verfasser zweier Zeitungsartikel in der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Zeit“. Eine solche Zusammenarbeit hat allerdings nicht stattgefunden, wie auch der Autor gegenüber Meedia bestätigt.

Der Autor berichtet in seinen Artikeln von - teils zeitlich zurückliegenden Fällen - von Machtmissbrauch von Konflikten bei der Deutschen Welle. Im Dezember 2020 waren drei freie Kolleg*innen fristlos beendet worden mit der Begründung eines zerrütteten Arbeitsverhältnisses. ver.di bezweifelt die von der DW genannten Gründe und unterstützt die Kolleg*innen.

Auf Fragen des Autors an die DW reagierte die Unternehmenskommunikation mit gleichlautenden Vorwürfen gegen ver.di. Sie stützte sich auf zwei Textquellen. Eine stammt von der Berliner Betriebsgruppe des DJV und des VRFF, die andere von ehemaligen ver.di-Mitgliedern - und beide enthalten nachweislich teils umstrittene, teils falsche Behauptungen zur Rolle von ver.di in einem schon länger schwelenden Konflikt.

Indem sich Intendant und Unternehmenskommunikation unhinterfragt auf diese Quellen beziehen, bewegen sie sich auf dünnem Eis. Journalistisch gesehen - und im Hinblick auf das Selbstverständnis der DW, für fundierte und klare Information zu stehen.

Im Gegensatz dazu wäre es für die Kolleg*innen in der DW wichtig, dass ihr Arbeitgeber ein besseres Bild nach außen abgibt. Wie wäre es, wenn Top-Führungskräfte zur eigenen Verantwortung bei Konfliktfällen stehen würden, anstatt Gewerkschaftler*innen und Mitarbeiter*innen einseitig die Schuld für Konflikte in die Schuhe zu schieben? Wäre es darüber hinaus nicht zielführender, einen genauen Blick auf strukturelle Ursachen von Konflikten zu werfen?

 

2.       Wo der Schuh wirklich drückt

Nicht nur die jahrelange Unterfinanzierung, Kostendruck, Mangel an Planstellen, teils zu ehrgeizige Pläne in der Aufgabenplanung und nicht mehr zeitgemäße gesetzliche Vorgaben bilden die Ursache für ein erhebliches Konfliktpotential bei der DW. Um einige Beispiele zu nennen:

  • Die vom Intendanten seit 2015 vorangetriebene Fixierung auf Nachrichten, sowie die Online-Strategie, immer mehr Ausspielkanäle bedienen zu müssen, haben den Arbeitsdruck erhöht und dazu geführt, dass die Arbeit insgesamt monotoner wurde. Interessante Tätigkeiten werden rar. Das führt stellenweise zu Frust, Neid und Konkurrenzdruck. Die vorhandenen Vergütungskriterien sind darüber hinaus veraltet und daher intransparent. In der Umfrage von ver.di zur letzten Tarifrunde haben viele Kolleg*innen die ungerechte Anerkennung ihrer Leistung genannt.
  • Insbesondere am Standort Berlin lässt die Arbeitsumgebung zu wünschen übrig. Während die DW in vielen Bereichen zunehmend „agil“ arbeitet, schlägt sie bei der Ausstattung fürs mobile Arbeiten, in der Kantinenversorgung und in der Schaffung einer angenehmen und sauberen Arbeitsumgebung eher den langsamen Gang einer „klassischen“ Dienststelle ein.
  • Obwohl häufig weisungsgebunden, ist die Hälfte der Mitarbeiter*innen  der DW - auf Vollzeitarbeit bezogen – in freier Mitarbeit tätig. Etwa ein Drittel der Festangestellten ist befristet beschäftigt, wobei Kettenbefristung die Regel ist. Die meisten Mitarbeiter*innen sind von der Arbeit in der DW persönlich abhängig. Daraus entstehen zwangsläufig auch persönliche Abhängigkeitsverhältnisse. Sichere Arbeitsplätze und gleiche Chancen sind wichtige Voraussetzungen nicht nur für ein gesundes Arbeitsumfeld, sondern auch für mutigen Journalismus. Dazu muss die Deutsche Welle, wie von ver.di gefordert, ausreichend und zukunftssicher finanziert und im gleichen Maß mit den erforderlichen Planstellen ausgestattet werden.
  • Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Intendant gegen die Vertretung von Freien in den Personalräten stemmt und die derzeitig vorhandene Bewegung in Richtung einer Gesetzesänderung nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt. Die Unterteilung in Beschäftigte erster und zweiter Klasse führt zu Spaltung und Konflikten.
  • Ob die oberflächlich durchgeführte „externe Betrachtung der arabischen Redaktion“ durch zwei Rundfunkratsmitglieder die Probleme in der DW gelöst hat, wird nicht nur von ver.di bezweifelt, sondern ist innerhalb der gesamten Belegschaft - gelinde gesagt - umstritten. Gerade strukturelle Probleme in der Deutschen Welle betreffen nicht nur eine einzelne Redaktion. Diese eingeschränkte Sichtweise ergibt ein verzerrtes Bild und rückt die Mitarbeiter*innen der arabischen Redaktion zu Unrecht in ein schlechtes Licht. Warum hat sich der Intendant bisher standhaft einer, von allen drei Gewerkschaftsgruppen der DW geforderten, externen Untersuchung nach dem Vorbild des WDR verweigert?
  • Die Sprachenvielfalt bei der DW macht den Sender in Deutschland einzigartig. Die Mitarbeiter*innen bringen große Wissensressourcen auf vielen Gebieten mit, journalistisch, technisch, künstlerisch. Diese geballte Energie bietet neben vielen Chancen auch Konfliktpotenzial. Umso wichtiger ist, neben einem guten Konfliktmanagement, dass Arbeit ein Ort der Begegnung bleibt. Dazu braucht es Zeitfenster, sozialen Austausch z.B. über gemischte Betriebsfeste, Veranstaltungen oder schlicht die Möglichkeit, auch weiterhin gemeinsam am Standort zu arbeiten. Auch dann, wenn es darum geht, die Arbeit im Rahmen von „New Work“ neu zu organisieren.

Die Deutsche Welle weist bei Vorwürfen und Kritik auf die neu geschaffenen Möglichkeiten der Konfliktbewältigung hin. Da ist auch viel auf den Weg gebracht worden. Nun muss all das gelebt und an einigen Stellen noch verbessert werden.

Damit Konflikte jedoch nicht nur symptomatisch gelöst werden, benötigen die DW und ihre Mitarbeiter*innen die Unterstützung der Politik. Wie von ver.di gefordert, muss die langfristige Finanzierung gesichert, ausreichend Planstellen geschaffen und die Gleichstellung von Freien bei der Mitbestimmung erreicht werden.

Darüber hinaus brauchen wir ein demokratisches Selbstverständnis auch und gerade beim oberen Führungspersonal. Dazu passt nicht, inhaltliche Kritik als lästiges Störfeuer zu betrachten, dem außer- und innerbetrieblich mit Mitteln wie Falschbehauptung, Ablenkung vom Kern der Sache, oder absichtlichem Missverstehen begegnet wird. Das funktioniert auf die Dauer nicht und gehört nicht zu einem modernen Medienunternehmen, das die Deutsche Welle zu Recht sein möchte. Und: Wir Mitarbeiter*innen der DW und unser Publikum sind für solche Manöver zu klug. Minds eben, wie es im Logo der DW heißt. 

 

P.S.: In einem Artikel haben Kolleg*innen des DJV lesenswerte Überlegungen zum Thema strukturelle Probleme bei der DW angestellt, auf die wir gerne verweisen:

 https://journal-nrw.de/beschaedigte-unternehmenskultur/?fbclid=IwAR2WlfU_4dLcMwg1fABQ9CgAsPZbgzgz47RgpH3LSbTNcLHPoVJKfv5rpc0

 

ver.di Senderverband DW, 22.2.2021