Energie, Mieten, Lebensmittel: Jede und jeder spürt die Preissteigerungen am eigenen Leib. 2021 stiegen die Preise um 3,1%, 2022 waren es schon 6,9% und 2023 noch einmal 5,9 %. 2024 liegen die Prognosen zwischen 2 und 3 %. Diese Erhöhungen konnten durch die letzten Tarifsteigerungen bei der Deutschen Welle im Gesamtvolumen von 2,8 % (insgesamt 7,06 % seit 2020) nicht ausgeglichen werden.
Insbesondere diejenigen mit niedrigen oder mittleren Einkommen kommen zunehmend an finanzielle Grenzen. Da fällt bei einem Normalverdiener auch schon mal das Essen oder der Kaffee in der Kantine aus, aus Kostengründen.
Im Juli 2024 stehen bei der Deutschen Welle die nächsten Tarifverhandlungen an. ver.di fordert ein Gesamtvolumen von 10,5 %. Die Verhandlungen werden hart, denn während die Beschäftigten dringend einen Ausgleich für die steigenden Kosten brauchen, engt das Finanzministerium die öffentlichen Ausgaben mit der Schuldenbremse ein.
Umso wichtiger ist, in diesen Zeiten kluge Vorstellungen zu entwickeln, um für einen sozialen Ausgleich zu sorgen und finanzielle Ressourcen dort einzusetzen, wo sie besonders benötigt werden. Ein geeignetes Instrument ist, Tariferhöhungen nicht in Prozenten zu realisieren, sondern als Festbetrag.
Betrachten wir das anhand des Gehaltsgitters für Festangestelte. Jede und jeder Festangestellte bei der Deutschen Welle wird bei der Einstellung je nach Tätigkeit einer Vergütungsgruppe von römisch X (unterste Vergütungsgruppe) bis I (höchste Vergürtungsgruppe) zugeordnet. Diese 10 Vergütungsgruppe sind jeweils nach 8 Stufen unterteilt, die sich nach den Berufs- bzw. Beschäftigungsjahren richten. Alle 2 Jahre rücken Festangestellte eine Stufe höher.
Die Deutsche Welle ist tarifgebunden. Je nach Dauer von Gehaltstarifverträgen verhandeln die Gewerkschaften für ihre Mitglieder ca. alle 1 bis 3 Jahre einen neuen Gehaltstarifvertrag. Jedes Prozent Erhöhung kostet die Deutsche Welle etwa 3 Millionen Euro.
Nehmen wir dieses eine Prozent als rein rechnerischen Ausgangspunkt. (Am Ende brauchen wir selbstverständlich eine wesentlich deutlichere Erhöhung). Wie diese Summe (bzw. das Vielfache davon) verteilt werden, ist ebenso wie deren Gesamthöhe Gegenstand der Tarifverhandlungen.
Bei rein prozentualer Erhöhung (auch "lineare" Erhöhung genannt) würden alle Gehälter um den Prozentsatz des Gesamtvolumens erhöht. Bei 1 % Erhöhung werden aus 1000 € dann z.B. 1010 €.
Bisheriges Gehalt + x% mal bisheriges Gehalt = Gehalt nach Tariferhöhung.
Hohe Gehälter kommen so in den Genuss einer höherer Tariferhöhung als niedrige Gehälter. Dieser Effekt summiert sich über die Jahre, sodass es zunehmend zu einer Aufspreizung der Gehälter kommt. Diese Aufspreizung entsteht dadurch, dass Preissteigerungen alle gleichermaßen betreffen. An der Supermarktkasse passt die Kassiererin deine Lebensmittelrechnung nicht deiner Gehaltssteigerung an und verlangt prozentual mehr von dir, wenn du mehr verdienst. Auch die Kantinenpreise gelten für alle gleich.
Bei einer Erhöhung um einen Festbetrag wird das für die Tariferhöhung vorgesehene Geld (das je nach Gesamtvolumen mehr oder weniger ist) durch die Anzahl der Beschäftigten (nach Vollzeit umgerechnet) dividiert und das Resultat gleichmäßig auf alle verteilt. Jede und jeder Beschäftigte kommt somit in den Genuss einer Tariferhöhung in gleichem Umfang:
Bisheriges Gehalt + Festbetrag = Gehalt nach Tariferhöhung (in Klammern zum Vergleich das Resultat bei rein prozentualer Erhöhung).
Das führt dazu, dass niedrigere Einkommen stärker in den Genuss der Tariferhöhung kommen, als dies bei rein prozentualer Erhöhung der Fall wäre.
Im Ergebnis profitiert das Gros der Beschäftigten, wie in den Grafiken farblich gekennzeichnet.
Auch bei Honoraren von Freien lassen sich Festbeträge anwenden. Das Ergebnis ist im Prinzip analag wie bei Festangestellten: Hohe Honorare werden in gleichem Maße erhöht wie niedrige.
Für den Festbetrag sprechen 3 Gründe:
Die beiden Kurven zeigen die Differenz aus Nettogehalt und notwenigen Ausgaben ("Was bleibt von meinem Gehalt übrig?), jeweils bei einem Normalverdiener (blau) und einem Gutverdiener (rot).
- zur Verdeutlichung sei eine "lineare" Erhöhung im Jahr 2024 um 5% angenommen. Ein solcher Abschluss würde zu einem deutlich erkennbaren Aufgehen der Schere zwischen hohen und niedrigen Gehältern führen und den Effekt der Vorjahre noch verstärken.
- Angenommenes Bruttogehalt 2007: 2229 € (Gehalt Normalverdiener). Dieses steigt auf etwa 3429 € brutto im Jahr 2024 (netto etwa 2275 €). Grundlage: Tarifabschlüsse ver.di DW.
- Hohes Bruttogehalt 2007: 5268 € (Gehalt Gutverdiener). Dieses steigt auf etwa 8050 € brutto im Jahr 2024 (netto etwa 4599 €)
- Preise 2007 (1500 €) steigen auf 2118 € im Jahr 2024 (Preisindex Statista)
2. Die Deutsche Welle wird vom Bund finanziert und die Bezahlung wird in weiten Teilen mit der der Beschäftigten im Bund verglichen (Besserstellungsverbot). Damit liegt es nahe, dass die Beschäftigten der DW nicht schlecher gestellt werden. Der letzte Tarifabschluss beim Bund bietet mit einer Mindesterhöhung in unteren Tarifgruppen und einem hohen Gesamtvolumen die Grundlage für einen auf einem Festbetrag basierenden Abschluss bei der DW.
3. Etwa 1062 von 1797 Festangestellten profitiert direkt von einem Festbetrag. Bis weit in die Vergütungsgruppen IV und III hinein sind Festangestellte verglichen mit einer "linear" prozentualen ERhöhung nicht weniger gut gestellt durch einen Festbetrag.